Hello, Mr. President

Sehr geehrter Herr Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika,
Mr. George W. Bush jr.,

ich bin eine Mutter in den USA, die sich um ihre Kinder sorgt. Wahrscheinlich bekommen Sie in diesen Tage viele Briefe von vielen Müttern, denen es wegen ihrer Kinder bange ums Herz ist. Ich sehe im Fernsehen, dass Sie entschlossen sind, die Achse des Bösen zu besiegen. Das will ich natürlich auch. Aber dabei verstehe ich nicht recht, dass diese Achse seit kurzer Zeit nicht mehr aus drei Staaten bestehen soll, sondern nur noch aus einem. Eigentlich, wenn ich die Nachrichten richtig begreife, auch nicht mehr wirklich aus einem Staat, sondern aus einem einzelnen Mann. Ich finde, nebenbei gesagt, dass das ein merkwürdiger Begriff von einer Achse ist. Verzeihen Sie, ich bin eben nur eine dumme Frau.
Athabaska
Jedenfalls wollen Sie diesen Mann besiegen und absetzen. Weil er versucht hat, ihren Vater zu töten, wie Sie sagen. Ich bin, wie gesagt, eine Mutter, ich bin also schon etwas älter. Ich habe vor zwölf Jahren, als Ihr Vater Präsident war und gegen den Irak Krieg geführt hat, auch schon ferngesehen. Deshalb erinnere ich mich daran, dass George W. Bush sr. mehr als einmal versucht hat, Saddam Hussein zu töten. Der von Ihnen genannte Grund scheint mir deshalb ziemlich fadenscheinig zu sein. Entschuldigung, aber eigentlich hätte Saddam mehr Grund, Sie zu töten, als Sie ihn.

Ach, Mr. President, sind Sie vielleicht gerade auf Ihrer Ranch in Texas und reiten einen wilden Mustang zu? Oder sind Sie in der Kirche und beten zu Gott für das Wohlergehen seines eigenen und einzigen Landes? Ich weiß, Sie haben so viele wichtige Dinge zu tun, und mein dummer Brief, den Sie gerade lesen, hält Sie davon ab! Aber ich möchte Ihnen trotzdem noch etwas ganz Wichtiges sagen. Ich will mich auch kurz fassen.

Aus dem Fernsehen weiß ich, dass die Vereinigten Staaten Mitglied in den United Nations sind. Da ist ja fast jedes Land der Welt Mitglied, sogar die Schweiz ist vor ein paar Monaten beigetreten. Fernsehen bildet, wissen Sie! Ich weiß auch, dass es bei den Vereinten Nationen einen Sicherheitsrat gibt, der allein berechtigt ist, über Krieg und Frieden zu entscheiden, wenn ein Staat andere bedroht – jedenfalls so ähnlich. Jeder Mitgliedsstaat unterschreibt bei seinem Beitritt, dass er diese Regel akzeptiert. Das habe ich alles aus dem Fernsehen – nicht, dass Sie glauben, dass ich diese zersetzenden Zeitungen von der Ostküste lese! Von denen habe ich nur Schlimmes gehört.

Aber jetzt sagen Sie, Mr. President, dass wir den Irak – oder Saddam Hussein, oder wen immer Sie meinen – auch dann angreifen werden, wenn die UN beschließen, nicht anzugreifen! Bestimmt haben Sie gebetet, bevor Sie diesen Beschluss gefasst haben, oh ja, das glaube ich bestimmt!

Aber, Mr. President, ich sagte bereits, dass ich eine Mutter bin. Als Mutter versuche ich, meinen Kindern Regeln beizubringen. Ich sage ihnen, dass man Regeln einhalten muss. Wenn niemand sich an Regeln hält, kann niemand sicher sein, sage ich ihnen. Wenn du deinen Bruder auffrisst, sage ich, dann kannst du nicht sicher sein, dass der Bruder deines Bruders dich nicht fressen will. Du sollst eben nicht töten, nicht wahr? Reiner Selbstschutz ist das.

Sie, Mr. President, sind gerade dabei, wichtige Regeln zu verletzen – ich muss Ihnen das leider sagen. Wohin soll das denn führen, was Sie machen? Wenn Sie jetzt den Irak oder Saddam angreifen, dann greift morgen Indien Pakistan an und übermorgen China Taiwan und in drei Tagen Brasilien Argentinien, und in vier Tagen ist die Welt im Eimer! Wenn Sie mein Kind wären, würde ich Ihnen eins hinter die Ohren geben, aber kräftig. Entschuldigung!

Oh, Mr. President, bestimmt war ich jetzt zu direkt zu Ihnen und ohne den gehörigen Respekt. Aber wissen Sie, wenn man zwei Jahre lang nur mit den Kindern beschäftigt war und dauernd hinter ihnen her sein musste, damit sie die Regeln des Überlebens lernen, dann wird man gegenüber Regelverletzern schnell ungeduldig. Wenn Sie Krieg führen wollen, dann erkläre ich hiermit ausdrücklich, dass Sie das nicht in meinem Namen tun. Not in my name!

Meine Kinder sind jetzt groß. Sie sind zu selbständigen Bären geworden, die gelernt haben, was sich gehört. Sie halten sich an sinnvolle Regeln. Sie bringen niemanden um, auch nicht, wenn sie zufällig gerade stärker sind als ihre Gegner. Sie sollten sich daran ein Beispiel nehmen, Mr. President!

Ach, Sie merken jetzt erst, wer Ihnen diesen Brief geschrieben hat? Oh nein – Sie müssen jetzt nicht Fish and Game oder das Bureau of Land Management aktivieren, um mich zu eliminieren – ich bin ganz friedlich und auch keine Terroristin. Ich ernähre mich von Beeren und Wurzeln. Ich sehe nur ab und zu fern und versuche die spärlichen Nachrichten zu verarbeiten, die ich dort bekomme. Ich muss also nicht abgeschossen werden, und Ihre Sicherheitsdienste brauchen mich auch nicht auf Guantanamo zu internieren, wo meine Bärenrechte einen Bärendreck wert wären.

Mr. President, ich möchte nur, dass Sie endlich erwachsen werden und sich an sinnvolle Regeln halten. Ihr Vater ist ja wohl nicht geeignet, um Ihnen eine ordentliche Ohrfeige zu geben. Ich hoffe auf Mutter Barbara.

Mit freundlichen Grüßen

Athabasca

Athabaska

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