Prinzen in der BRD

Vielleicht sind sie eine Gefahr, vielleicht auch nicht. Das deutsche Meinungs-Leitmedium jedenfalls hat sie zu einer Bedrohung erklärt. Den Posts in den sozialen Medien zufolge werden sie von Tag zu Tag gefährlicher.

Die Sonntagsfrage spiegelt für die etablierten demokratischen Parteien immer deprimierendere Ergebnisse wider. Die selbsternannte Alternative vom rechten politischen Rand, die ihre stupenden Umfrageergebnisse völkischem Gedankengut  schuldet, kennt nur eine Forderung: ausweisen!

Dabei sind sie, wenn man es genau nimmt, noch nicht einmal eingewandert. Sie haben die deutsche Grenze nicht überschritten, weder legal noch illegal, sie sind  immer drinnen gewesen. Viele Menschen haben sie sogar ins Herz geschlossen, sind mit ihnen aufgewachsen. Aber dennoch sind sie suspekt.

Die Präsidentin der Bundesagentur für Arbeit befindet in einem auf umfangreiches Zahlenwerk gestützten Dossier, dass die fragliche Gruppe auf dem Arbeitsmarkt praktisch nicht vermittelbar sei. Kein einziger der von den Jobcentern betreuten Kunden habe sich als fortbildungsfähig oder -willig erwiesen. Die  vorhandenen Qualifikationen würden von den Arbeitgebern nicht nachgefragt. Dazu gehörten außergewöhnliche Kenntnisse in der Kommunikation mit Zwergen, Riesen, Hexen und Teufeln, aber auch mit Tieren wie Erdmännchen, Füchsen, Löwen und Kröten. Vereinzelt hätten Kunden auch angegeben, Türme erklettern oder einen Apfel vom Baum des Lebens holen zu können. Bei allen Aussagen hätten die Fallmanager den Kunden beim Ausfüllen der Fragebögen behilflich sein müssen, da keiner des Lesens und Schreibens kundig gewesen sei. Ausnahmslos alle hätten als Fertigkeiten Küssen und als Ziel ihrer beruflichen Tätigkeit Heiraten angegeben, was von den meisten Fallmanagerinnen als übergriffig kritisiert worden sei.

Sprecherinnen und Sprecher der Partei ‚Die Linke‘ kritisieren ihrerseits den Bericht der Chefin der Bundesarbeitsagentur. Wer Kunden als ‚nicht vermittelbar‘ charakterisiere, verschenke wertvolles Potential. Der Mangel an Arbeitskräften in Deutschland sei bereits heute dramatisch und werde sich in den kommenden Jahren verschärfen.

Die Partei ‚Die Grünen‘ fordert umfangreiche Förderprogramme für die Zielgruppe, bei denen unzweifelhaft vorhandene Qualifikationen weiter entwickelt werden sollten. Für Windkraftanlagenbauer etwa könne die Fähigkeit, Türme erklettern zu können, von großem Nutzen sein. Die Kommunikation mit Tieren gewinne an Bedeutung, sei doch der Wolf inzwischen im Lande angesiedelt, und Fuchs und Waschbär als Kulturfolger hätten sich Lebensraum in Dörfern und Städten erobert.

Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU erklärt im Bundestag, einerseits sei er der Vorsitzende einer konservativen Partei, die Traditionen hochhalte. Andererseits könne es nicht angehen, dass Ewiggestrige die Großzügigkeit des deutschen Sozialstaats ausnutzten, um sich die Zähne richten zu lassen, die sich der eine oder andere beim Biss in einen Apfel vom Baum des Lebens ausgebrochen haben mochte.

Wer der fraglichen Gruppe angehöre, reklamiere für sich die deutsche Staatsangehörigkeit und lebe auf deutschem Boden, stehe aber nachweislich nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung, sondern hänge an monarchischen Strukturen. Seine Fraktion werde zeitnah eine Gesetzesinitiative in den Bundestag einbringen mit dem Ziel, diesen Individuen die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen.

Die FDP fordert Leistungskürzungen für alle, die sich nachweislich dem Arbeitsmarkt entziehen. Auch sei es denkbar, statt Bargeld Debitkarten auszugeben, mit denen nur bestimmte Waren des täglichen Bedarfs erworben werden könnten. Mit diesen Anreizen werde es zweifellos gelingen, die Eigeninitiative zu steigern.

Der Bundeskanzler sagt in einer Regierungserklärung, man sei auf gutem Wege, das Problem zu lösen. Er habe dafür einen Plan, den er aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht publik machen werde.

In einem Interview im Feuilleton einer auflagenstarken überregionalen Tageszeitung äußert sich der bekannteste deutsche Armutsforscher zum Thema. Er warnt vor einer Spaltung der Gesellschaft und fordert den Ausbau des Sozialstaats, um der wachsenden politischen Polarisierung zu begegnen. Staatliche Transferleistungen mit dem Ziel, gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, seien mitnichten eine soziale Hängematte. Auch das Bildungssystem müsse gestärkt werden, vor allem die frühkindliche Förderung, um ein Verharren der nächsten Generation in der Armutsfalle zu verhindern.

Da dieses Feuilleton überwiegend von nicht mehr ganz jungen gebildeten Menschen zur Kenntnis genommen wird, die weniger als ganz junge wenig gebildete Menschen in sozialen Netzwerken tätig sind, die also Gedanken, die sie sich machen, nicht reflexartig massenhaft verbreiten, die also als Multiplikatoren keine große Rolle spielen, ist die Resonanz des Interviews gering.

Anders verhält es sich mit der Reaktion auf einen Hauptartikel des deutschen Leitmediums. Unter dem Titel „So faul sind sie – auf unsere Kosten!“ steht der Text:

„Unglaublich! Ihre Frauen tragen kostbare Kleider aus Mond-, Sonnen- oder Sternenstaubstoff, bezahlt von unseren Steuergeldern. Sie arbeiten nicht, noch nicht einmal schwarz, sondern ruhen sich in ihrer komfortablen sozialen Hängematte aus. Sie belegen großzügig bemessenen Wohnraum im sozialen Wohnungsbau, der deshalb für hart arbeitende Bürger nicht zur Verfügung steht. Sie wohnen darin kostenlos! Und die Heizkosten werden ihnen auch erstattet! Dagegen frieren hart arbeitende Geringverdiener bei 17 Grad in ihren teuren Behausungen, weil sie sich neben den horrenden Mieten die explodierenden Energiepreise nicht mehr leisten können.

Und jetzt tragen diese Schmarotzer öffentlich einen Wettbewerb aus, wer von ihnen der Faulste ist. Das Ergebnis wurde gerade bekanntgegeben.

Der Bewerber, der damit angibt, dass er zum Schlafen nicht mal die Augen schließt, wenn ein Tropfen hineinfällt, belegt den dritten Platz.

Zweiter wird einer, der am Feuer die Füße nicht zurückzieht, wenn sie verbrennen.

Und der Sieger? Der prahlt damit, dass er den Strick nicht durchschneiden würde, wenn man ihn hängt.

Man sollte diesem Ungeziefer wirklich einmal zeigen, wie es sich anfühlt, wenn die Füße verbrennen und wenn man gehängt wird!“

In der nächsten Nacht brennen in Südniedersachsen und Nordhessen zahlreiche Prinzenunterkünfte.

Dezember 23


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